Wieviel Essentials stecken in den neuen Wissensmanagement-Standards?

Ein Erfahrungsbericht.

Markus Will, Ronald Orth, Felix Budde
(Fraunhofer IPK Berlin)

Knowledge Management Essentials • Das Kuratierte Dossier, Band 5 • März 2023
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Zum Key Visual: Mechanische Rechenmaschine, 1867 USA, Patentmodell aus Messing, ca. 5 x 13 x 13 cm, bestehend aus einem Addierwerk und einer drehbaren Multiplikationstabelle.

Wenn ein Thema an Bedeutung gewinnt und seine Relevanz in Forschung und Praxis anerkannt ist, wird dies unter anderem dadurch ersichtlich, dass es in die Welt der Standardisierung einfließt. Auf die Themen Human Resource Management und Knowledge Management trifft diese Entwicklung zu. Die praktische Relevanz wird beispielsweise an den Aktivitäten des ISO Technical Committee 260 „Human Resource Management“ deutlich. Experten aus über 30 Ländern arbeiten in diesem Komitee aktiv an der internationalen Normenreihe ISO 30400 zum Personalmanagement und entwickeln Leitlinien und Standards für die Verbesserung HR-bezogener Prozesse und Aufgaben.

Wenn ein Thema an Bedeutung gewinnt und seine Relevanz in Forschung und Praxis anerkannt ist, wird dies unter anderem dadurch ersichtlich, dass es in die Welt der Standardisierung einfließt. Auf die Themen Human Resource Management und Knowledge Management trifft diese Entwicklung zu. Die praktische Relevanz wird beispielsweise an den Aktivitäten des ISO Technical Committee 260 „Human Resource Management“ deutlich. Experten aus über 30 Ländern arbeiten in diesem Komitee aktiv an der internationalen Normenreihe ISO 30400 zum Personalmanagement und entwickeln Leitlinien und Standards für die Verbesserung HR-bezogener Prozesse und Aufgaben.

Die darin enthaltene ISO-Norm 30401 (ISO 2021) definiert allgemeine Anforderungen an organisationale Wissensmanagementsysteme, und die daran angelehnte DIN SPEC 91443 (DIN 2021) stellt Leitlinien, Instrumente und Verfahren für ein systematisches Wissensmanagement in KMU bereit. Beide Standards bieten eine Orientierung für die Planung, Umsetzung, Kontrolle und kontinuierliche Weiterentwicklung eines Wissensmanagement-Systems.

Einerseits kann diese Entwicklung im Wissensmanagement als das Erreichen einer nächsten Reifestufe interpretiert werden. Andererseits könnte es dazu führen, dass Wissensmanagement – ähnlich wie das Qualitätsmanagement auf Basis der ISO 9001 – in Unternehmen vor allem zur Erlangung eines formellen Zertifikats eingeführt wird und nicht in erster Linie, um die strategisch wichtigen immateriellen Ressourcen gezielt einzusetzen und eine entsprechende Wissenskultur zu entwickeln. Noch sind keine anerkannten, getesteten Verfahren zur Zertifizierung im Markt. Der Gefahr der „Bürokratisierung“ des Themas sollte jedoch frühzeitig entgegengewirkt werden.

Während des 25-jährigen Bestehens des Competence Center Wissensmanagement am Fraunhofer IPK konnten wir nicht nur die frühen Entwicklungsphasen des Themas hautnah miterleben und ein Stück mitgestalten, sondern zuletzt auch erste Erfahrungen in der praktischen Anwendung der genannten Standards in konkreten Wissensmanagement-Projekten sammeln. Dabei hat sich bisher herausgestellt: Begreift man den Standard als Rahmenwerk, welches die unternehmensindividuelle Ausgestaltung eines ganzheitlichen Wissensmanagements auf der oberen Ebene systematisiert, kann gerade die praxisorientierte DIN SPEC helfen, den richtigen Einstieg ins Thema zu finden und nichts Wesentliches zu übersehen.

Welches sind nun die wesentlichen Bestandteile und Erfolgsfaktoren für ein ganzheitliches Wissensmanagement, also die „KM Essentials“? Aus unserer langjährigen Erfahrung lassen sich mindestens drei Faktoren herauskristallisieren, die fundamental für die erfolgreiche Einführung und Umsetzung von Wissensmanagement in einer Organisation sind:

Strategische Perspektive:
Wissensmanagement muss mit der Unternehmensstrategie verknüpft sein.

Selbst wenn, wie in vielen KMU, keine ausformulierte Unternehmensstrategie vorliegt, ist es essentiell für den Erfolg von Wissensmanagement-Initiativen, dass eine klare inhaltliche Verbindung zu den Geschäftszielen hergestellt wird. Dabei geht es in erster Linie um die Herstellung eines gemeinsamen Verständnisses und einer geteilten Vision zwischen der Managementebene, den WM-Verantwortlichen und den Mitarbeitenden als die zukünftigen WM-User. Nur wenn dieses gemeinsame Zielbild besteht, hat die WM-Initiative eine Chance auf nachhaltigen Erfolg im Unternehmen.

Dies kann durch verschiedene methodische Ansätze umgesetzt und unterstützt werden. Spezifische Methoden des „Intellectual Capital Management“ (ICM) wie z. B. die „Wissensbilanz – Made in Germany“ (Alwert et al. 2008) oder der europäische Leitfaden „Intellectual Capital Statement – Made in Europe“ (European Commission 2008; Will 2015) erlauben einen dezidiert strategischen Zugang, indem sie aus den übergeordneten strategischen Zielen und dem Geschäftsmodell einer Organisation die dafür benötigten immateriellen Ressourcen ableiten und bewerten, um die größten Hebel für Verbesserungsmaßnahmen und die Wirkung auf den Geschäftserfolg systematisch zu bestimmen.

Aber auch wem diese explizit strategischen Ansätze zu aufwendig oder zu komplex erscheinen, sollte nicht darauf verzichten, sich zu Beginn einer WM-Initiative mit den übergeordneten Zielen zu beschäftigen. Das Andocken an die allgemeinen Geschäftsziele ist dabei mindestens durch eine moderierte Diskussion zwischen Management und den WM-Verantwortlichen im Unternehmen herzustellen und zu dokumentieren. Denn die langfristige Unterstützung des Managements und der Mitarbeitenden für Wissensmanagement kann nur sichergestellt werden, wenn allen Beteiligten der Nutzen auf strategischer und operativer Ebene klar ist. Wissensmanagement ist in dieser Sicht kein Selbstzweck, sondern muss einen klaren, nachvollziehbaren Beitrag zu den übergeordneten Unternehmenszielen liefern. Das mag trivial klingen, ist in der Praxis aber nicht automatisch gegeben bzw. existieren oft zu viele unterschiedliche Vorstellungen über den potenziellen Nutzen von Wissensmanagement. Das wirkt einer zielgerichteten Implementierung von Wissensmanagement entgegen und kann dazu führen, dass erste Bemühungen in diese Richtung schnell wieder eingestellt werden.

Dieser Überbau ist außerdem nötig, um im späteren Verlauf von WM-Initiativen immer wieder auf die oberen Ziele und den unternehmensspezifischen Zweck von WM zurückkommen zu können, auch um einzelne Maßnahmen in ihrer Wirkung zu untersuchen, auszurichten und entsprechende Controllinginstrumente für die Implementierungs- und Betriebsphase abzuleiten. KPIs oder andere Instrumente zur Erfolgsmessung bilden dann die Brücke zwischen einzelnen WM-Maßnahmen, den dadurch erreichten Verbesserungen auf operativer Ebene und den übergeordneten strategischen Unternehmenszielen.

Operative Perspektive:
Wissensmanagement muss in das operative Tagesgeschäft integriert sein.

Der Kern eines jeden Wissensmanagement-Projekts muss darin bestehen, den eigentlichen Nutzen von Wissensmanagement in die Praxis umzusetzen, nämlich die Verbesserung der Verfügbarkeit sowie der Nutzung und Teilung des relevanten Wissens im Tagesgeschäft. Um den Nutzen von Wissensmanagement in der täglichen Arbeit sichtbar und spürbar zu machen, sollte daher immer von genau diesem Punkt ausgegangen werden: den wertschöpfenden Geschäftsprozessen, also den täglichen Aufgaben und Abläufen, in denen die Mitarbeitenden die geldwerten Leistungen des Unternehmens – unter Nutzung von Wissen – erstellen. Dafür eignen sich bewährte Ansätze wie das Geschäftsprozessorientierte Wissensmanagement (Heisig 2005) besonders. Auch hier stehen zunächst moderierte Diskussions- und Analyseprozesse im Mittelpunkt, um mit den Beteiligten ein gemeinsames Verständnis dieser Prozesse und des darin stattfindenden Umgangs mit Wissen sowie der darin enthaltenen Optimierungspotenziale herzustellen (Orth, Mertins 2016). Auf dieser Basis können dann die richtigen Instrumente abgeleitet werden, die für diese spezifischen Herausforderungen die beste Lösung versprechen und von den Beteiligten akzeptiert wird. Dass es nicht immer neue IT-Lösungen sein müssen, sondern gerade auch nicht-technische Lösungen und kleine Hilfestellungen für den direkten Wissenstransfer zwischen Personen die gewünschten Effekte im operativen Geschäft bringen können, muss in der aktuellen Entwicklungsphase des Wissensmanagements hoffentlich nicht mehr explizit betont werden.

Change Perspektive:
Die Anwender müssen von Anfang an mitgenommen werden.

Die Einführung von Wissensmanagement heißt immer auch Veränderung von Verhalten der Mitarbeitenden und Führungskräfte. Dies kann von kleinen Veränderungen, wie die Nutzung einer neuen Methode oder eines neuen Tools auf der operativen Ebene, bis hin zu Änderungen in den organisationalen Abläufen und Strukturen oder auch einem angestrebten Kulturwandel reichen (Finke, Will 2003). Daher ist auch diesem Aspekt in jedem Wissensmanagement-Projekt eine hohe Bedeutung beizumessen. Wie die nachhaltige Veränderung von Verhalten und die dafür notwendige Motivation bei den Betroffenen im Einzelnen erreicht werden kann, ist wieder abhängig von zahlreichen individuellen Rahmenbedingungen im jeweiligen Unternehmen, nicht zuletzt von der bestehenden Unternehmenskultur. Allgemein lässt sich aber festhalten, dass die Partizipation der Betroffenen, also derjenigen die Wissensmanagement umsetzen und tagtäglich leben sollen, immer ein richtiger Ansatz ist – je früher im Prozess desto besser. Begleitende interne Kommunikation mit offenen Feedbackkanälen sowie spezielle Anreizsysteme sind weitere Bausteine zur Gestaltung des Wandels, den jedes Wissensmanagement-Projekt erfordert (Finke, Will 2005). Denn bereits die erste Hype- und Ernüchterungsphase des Wissensmanagements am Anfang dieses Jahrtausends hat gezeigt, dass auch die höchsten Investitionen in neue Lösungen und die aufwendigsten IT-Projekte nichts bringen, wenn eins nicht bedacht wird: die Mitarbeitenden müssen mitmachen!

Ganzheitliches Wissensmanagement in der Praxis

Diese drei wesentlichen Elemente und Erfolgsfaktoren eines ganzheitlichen Wissensmanagements spiegeln sich auch in den drei Säulen wieder, die den Gesamtansatz des Competence Center Wissensmanagement darstellen (Mertins, Orth 2006) (s. Abbildung 1).

Abbildung 1 Ganzheitlicher WM-Ansatz des Competence Centers Wissensmanagement am Fraunhofer IPK

Dieser ganzheitliche Ansatz erfüllt zunächst die Voraussetzungen für den Betrieb eines Wissensmanagements im Sinne eines Managementsystems nach den aktuellen Vorgaben in der ISO 30401 und DIN SPEC 91443. Neben der Orientierung an der Unternehmensstrategie und den Unternehmenszielen werden die Definition von Prioritäten und Anwendungsbereichen für WM, die Ableitung konkreter und überprüfbarer Ziele sowie die Planung und Umsetzung von WM-Maßnahmen auf der Basis eines systematischen Prozesses (PDCA-Zyklus) als relevant hervorgehoben. Darüber hinaus wird thematisiert, wie förderliche Rahmenbedingungen, Strukturen und Anreize geschaffen werden können, damit Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit Wissen aufbauen, teilen und zielgerichtet anwenden (ISO 2021, DIN 2021).

Wie diese Vorgaben unter Nutzung des oben beschriebenen ganzheitlichen WM-Ansatzes in der Praxis umgesetzt werden können, wird in der nachfolgenden Fallstudie einer WM-Implementierung in den Jahren 2021/2022 beschrieben.

Fallstudie: Einführung von Wissensmanagement in einem brasilianischen Innovationsinstitut

Seit 2012 unterstützt das Fraunhofer IPK den brasilianischen Industrieausbildungsdienst SENAI beim Aufbau von 26 Innovationsinstituten nach dem Fraunhofer-Modell der angewandten Forschung, um die Wettbewerbsfähigkeit brasilianischer Unternehmen zu stärken (Kohl et al. 2020). Das SENAI-Innovationsinstitut (ISI) für Biosynthetik und Fasern in Rio de Janeiro ist eines der erfolgreichsten Institute innerhalb dieses Netzwerks. Nach einer Phase raschen Wachstums – bis zu 100 neue Forscher und Mitarbeiter in etwa fünf Jahren – sah sich das ISI für Biosynthetik mit typischen Herausforderungen des Wissensmanagements konfrontiert. Als das ISI im Jahr 2021 eine entsprechende Initiative startete, bat es das Competence Center Wissensmanagement (CCWM) des Fraunhofer IPK um methodische Unterstützung (Will et al. 2022). In dieser Fallstudie wird der verwendete methodische Ansatz von der Definition und Analyse der WM-Ziele bis hin zur Lösung, den Maßnahmen und dem WM-Controlling beschrieben.

Der methodische Kern dieses WM-Projekts bei dem SENAI Innovationsinstitut basiert auf einem geschäftsprozessorientierten Wissensmanagementansatz, insbesondere für die Analyse- und Gestaltungsphase. Dieser operative Ansatz ist eingebettet in eine systematische Anbindung an die strategische Ebene in der Initialisierungs- und Evaluierungsphase und legt einen zusätzlichen Fokus auf den begleitenden Aspekt des Change-Managements. In dieser Hinsicht folgte das Projekt der Logik des ganzheitlichen WM-Ansatzes des CCWM mit seinen drei Hauptsäulen (Mertins, Orth 2006). Entsprechend diesem ganzheitlichen WM-Ansatz werden in den folgenden Abschnitten die in diesem WM-Projekt angewandten Methoden und Instrumente für jede der drei Ebenen (strategisch, operativ, Change) beschrieben sowie die wesentlichen Ergebnisse der Anwendung im ISI für Biosynthetik zusammengefasst.

Strategische Ebene: Anbindung von Wissensmanagement an die Unternehmensziele

Die Formulierung von konkreten Wissenszielen wird in den beschriebenen Standards der ISO 30401 und DIN SPEC 91443 als zentraler Ausgangspunkt des Wissensmanagements gefordert. Nur so können die zentralen Fragen der Einführung und Steuerung von Wissensmanagement im Unternehmen geklärt werden: Wo lohnt es sich am meisten zu investieren? Welchen Beitrag leistet das Wissensmanagement zum Unternehmenserfolg? Die Darstellung und Messung der Zielerreichung und des Erfolgsbeitrags von Maßnahmen ermöglicht darüber hinaus ein effektives Controlling in der Phase der Umsetzung und der laufenden Kontrolle des Wissensmanagements.

Im vorliegenden Fall wurde zur Lösung dieser Herausforderung das bestehende Modell für das strategische Management der SENAI Innovationsinstitute verwendet, das auf der Methode der Integrierten Strategieentwicklung (Will 2012; 2020) basiert. Es verbindet die Geschäftsstrategie einer Organisation mit der immateriellen Ressourcenbasis (dem intellektuellen Kapital) als strategischem Treiber für den Geschäftserfolg. Dieses strategische Managementmodell wurde verwendet, um eine erste Reihe von strategischen WM-Zielen abzuleiten, indem der angestrebte strategische Beitrag von WM zum Geschäftserfolg des Instituts mit der Direktion und dem WM-Kernteam des ISI Biosynthetik und Fasern diskutiert wurde (s. Abb. 2).

Abbildung 2: Strategisches Managementmodell der SENAI Innovationsinstitute

Die Ebene „Geschäftserfolg“ operationalisiert die wichtigsten strategischen Ziele und diente als Ausgangspunkt für die Diskussion, um den Bedarf an WM mit diesen übergeordneten Geschäftszielen zu verknüpfen. Die Ergebnisse dieser Diskussion wurden zu einem ersten Satz strategischer WM-Ziele verdichtet, die als Orientierungsrahmen für alle weiteren Schritte auf der operativen WM-Ebene dienen. In der anschließenden Analysephase wurden weitere operative WM-Ziele abgeleitet und mit diesen übergeordneten WM-Zielen in Beziehung gesetzt.

Strategische WM-Ziele des SENAI Innovationsinstituts für Biosynthetik und Fasern

  • Entwicklung unseres Geschäfts und Steigerung des Umsatzwachstums durch …
    • Bündelung von Wissen und Förderung von Synergien zwischen unseren technologischen Plattformen und Forschungsgruppen,
    • Entwicklung neuer Anwendungsideen, um die Nachfrage zu steigern („technology push“),
    • Nutzung unseres Potenzials, um bahnbrechende Innovationen mit höherem Mehrwert für unsere Kunden hervorzubringen.
  • Effizienzsteigerung und Kostensenkung durch …
    • systematische Nutzung des vorhandenen Wissens, um Doppelarbeit zu vermeiden,
    • Wiederverwendung von neu erzeugtem Wissen und Übertragung von Kompetenzen von einem Projekt auf den nächsten Anwendungskontext,
    • Sicherung von wichtigem Wissen, wenn Schlüsselpersonen ausscheiden,
    • Beschleunigung der Verwaltungsprozesse, Harmonisierung der Abläufe und Verfahren.
  • Stärkung unserer Marke und unseres Image durch …
    • Aufbau von neuem Wissen und Präsentation von Vorarbeiten zur Verringerung der F&E-Risiken für unsere Kunden,
    • Aufzeigen „versteckter” Kompetenzen, um Vertrauen aufzubauen und das „Unbekannte” zu vermitteln,
    • Institutionalisierung der Reputation durch professionellen Umgang mit Wissen und Überführung personenabhängiger Expertise in Strukturkapital.

Operative Ebene:
Integration von Wissensmanagement in die Geschäftsprozesse

In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Methoden und Verfahren der Analyse- und Lösungsphase unter Nutzung des am Fraunhofer IPK entwickelten Geschäftsprozessorientierten Wissensmanagements (GPO-WM) zusammengefasst. Die GPO-WM-Methodik basiert auf der Grundannahme, dass Wissen in Geschäftsprozessen genutzt wird, um bestimmte Ergebnisse von Wert für den Kunden und für die eigene Organisation zu erzeugen (Heisig 2005; Orth, Mertins 2016). Sie zielt darauf ab, den Kreislauf der vier WM-Kernaktivitäten innerhalb der laufenden Wertschöpfung einer Organisation zu schließen: Erzeugung, Anwendung, Verteilung und Speicherung von relevantem Wissen für den Erfolg der Geschäftsprozesse des Unternehmens. Durch die Integration der WM-Kernaktivitäten in die Geschäftsprozesse wird die Verbindung zwischen Wissensmanagement und den Aufgaben des Tagesgeschäfts sichergestellt (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Geschäftsprozessorientiertes Wissensmanagement: Schließen des Kreislaufs von vier WM-Kernaktivitäten innerhalb der wertschöpfenden Geschäftsprozesse

In einer strukturierten Workshopreihe wurden die eigentlichen Inhalte, konkrete Herausforderungen und Lösungen für den Umgang mit Wissen im ISI für Biosynthetik und Fasern analysiert und entwickelt. Nachfolgend werden die wesentlichen Bausteine und Ergebnisse dieses Verfahrens vorgestellt.

Wissensdomänen und Wissenslandkarte

Wissen ist immer Wissen über etwas, d. h. Wissen bezieht sich auf bestimmte Bereiche, z. B. als Wissen über den Kunden, Wissen über das eigene Produkt oder Wissen über Methoden und Verfahren. Bei der Implementierung von Wissensmanagement ist es daher von zentraler Bedeutung, das Wissen der jeweiligen Organisation zu beschreiben und zu konkretisieren. Die Beschreibung einer Wissensdomäne, d. h. eines konkreten Wissensgebietes, ermöglicht, eine präzise Definition von Wissen für das jeweilige Unternehmen in der Praxis zu entwickeln und zu etablieren. Für die Visualisierung der Wissensdomänen eignen sich Instrumente wie eine Mind-Map. In einem ersten operativen Schritt entwickelte das ISI eine Wissenslandkarte auf Basis von standardisierten Wissensdomänen aus der empirischen Forschung des Fraunhofer IPK.

Wissensdomänen des ISI für Biosynthetik und Fasern

Beispiele für wesentliche Wissensbereiche des ISI sind:

  • Wissen über die eigene Organisation,
  • Wissen über Kunden & Partner,
  • Wissen über Märkte & Wettbewerber,
  • Wissen über Produkte & Dienstleistungen,
  • Wissen über wissenschaftliche Methoden,
  • Wissen über Projekte.

Die Wissensdomänen wurden mit den Beteiligten aus dem WM-Kernteam und den Fachgruppen detailliert, auf die spezifischen Anforderungen des ISI angepasst und dienten im nächsten Schritt als Basis für die Analyse des Umgangs mit Wissen in den ausgewählten Kernprozessen.

Wissensorientierte Analyse und Gestaltung von Geschäftsprozessen

Gemäß des GPO-WM Ansatzes konzentriert sich die Analyse- und Gestaltungsphase auf die wertschöpfenden Prozesse des Unternehmens, denn hier findet der tägliche Umgang mit Wissen statt. Die GPO-WM-Methode ist in drei aufeinanderfolgende Schritte unterteilt:

  • Auswahl und Beschreibung der Prozesse
  • Analyse der Stärken und Schwächen im Umgang mit Wissen
  • Auswahl von WM-Lösungen und deren prozessorientierte Einführung

Schritt 1:
Auswahl und Beschreibung der wertschöpfenden Geschäftsprozesse

Die Ausrichtung der WM-Aktivitäten auf konkrete Geschäftsprozesse stellt sicher, dass die betrieblichen Abläufe der Organisation berücksichtigt werden und somit die Integration des Wissensmanagements in die tägliche Arbeit der Organisation gewährleistet ist. Daher ist es wichtig, zu Beginn des Projekts geeignete Geschäftsprozesse auszuwählen, die in Zukunft mit Instrumenten und Lösungen des Wissensmanagements verbessert werden sollen.

Ausgewählte Geschäftsprozesse des ISI für Biosynthetik und Fasern

Gemäß des oben eingeführten strategischen Managementmodells des ISI wurden die drei wertschöpfenden Kernprozesse ausgewählt und im Rahmen der Wissensmanagement-Analyse näher untersucht:

  • Marketing und Vertrieb,
  • Angewandte Forschung & Entwicklung / Innovation,
  • Projektmanagement / Dienstleistungserbringung.

Zur initialen Beschreibung dieser Kernprozesse wurde im ISI für Biosynthetik wie folgt vorgegangen: Pro Kernprozess wurde ein Team aus Führungskräften und operativen Mitarbeitenden gebildet, die den jeweiligen Geschäftsprozess gemäß GPO-WM-Methode in entsprechenden Online-Workshops beschrieben und hinsichtlich des relevanten Wissens und existierender Wissensträger analysierten. Die eingesetzten Prozess-Profile bieten eine strukturierte Diskussions- und Dokumentationsgrundlage mit einer kurzen Prozessbeschreibung, den wesentlichen Eingangsgrößen und Prozessergebnissen sowie der wichtigsten Wissensdomänen und der relevanten personellen und materiellen Wissensträger.

Schritt 2:
Analyse der Stärken und Schwächen im Umgang mit Wissen

Nach der Identifikation der zu untersuchenden Prozesse werden in diesem Schritt der Umgang mit Wissen sowie zentrale Wissensdomänen und Rahmenbedingungen näher betrachtet. Ziel ist es, Stärken und Verbesserungspotenziale im Umgang mit Wissen zu identifizieren und Handlungsfelder für Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten.

Am ISI für Biosynthetik wurde der „KM Fitness Check“ eingesetzt, um Stärken und Schwächen im Umgang mit Wissen zu identifizieren und zu bewerten. Es handelt sich um einen ständig weiterentwickelten Fragebogen, der an die spezifischen Bedürfnisse der Organisation angepasst werden kann und in Form einer Mitarbeitendenbefragung durchgeführt wird. In seinen Grundzügen wird der Katalog dem ganzheitlichen Verständnis von Wissensmanagement gerecht. Der KM-Fitness-Check basiert auf dem Prinzip des Fraunhofer WM-Referenzmodells (Mertins et al. 2016) und setzt sich daher aus Fragen zu den vier Kernaktivitäten (Wissen generieren, speichern, verteilen und anwenden) sowie zu den drei Gestaltungsfeldern (Personal, Organisation, Technik) zusammen. Ergänzt werden diese Fragebereiche durch die Bewertung der Wissensdomänen. So entsteht ein Gesamtbild, wie im Unternehmen mit Wissen umgegangen wird, das sich auf die Einschätzung der Mitarbeiter stützt. Der KM Fitness Check ist eine Analysemethode, die gleichzeitig einen niedrigschwelligen Einstieg in das Thema Wissensmanagement bietet. Die Befragung aller Mitarbeiter ist ein wichtiges Instrument zur Partizipation und Sensibilisierung im Rahmen der Einführung von Wissensmanagement. Zum einen erhalten die Mitarbeiter die Möglichkeit, durch ihre Einschätzungen zu den Themen den Prozess mitzugestalten, zum anderen werden sie durch die Auseinandersetzung mit den Fragen aufgefordert, den Umgang mit Wissen in ihrer täglichen Arbeit zu reflektieren (Kohl 2016).

Stärken und Schwächen des ISI für Biosynthetik und Fasern im Umgang mit Wissen

Die Analyse der Stärken und Schwächen im Umgang mit Wissen am ISI erfolgte über eine Online-Befragung. Die Umfrage war, dem WM-Ansatz folgend, in drei Teile gegliedert: (1) Wissensbereiche, (2) Umgang mit Wissen, (3) Rahmenbedingungen. Die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage waren:

Wesentliche Stärken im Wissensmanagement:

  • Hohe Bereitschaft, Wissen zu teilen
  • Anwendung von (vorhandenem) Wissen
  • stark personenorientierter WM-Ansatz (Wissensteilungskultur)

Wesentliche Herausforderungen im Wissensmanagement:

  • Erzeugung und Speicherung von Wissen über Projekte, Wissen über Kunden (sowie Markt und Wettbewerber)
  • Speicherung von explizitem Wissen (Auffinden und Bereitstellung von Daten)
  • Synergien zwischen Forschungsgruppen (abteilungsübergreifender Austausch von Erfahrungen)

Die Ergebnisse des KM-Fitness-Checks wurden der Belegschaft in einem Workshop vorgestellt und validiert und anschließend mit dem WM-Kernteam des Instituts diskutiert und nach Prioritäten geordnet, um die wichtigsten Handlungsfelder zu identifizieren.

Schritt 3:
Auswahl von WM-Lösungen und deren prozessorientierte Einführung

Die zuvor identifizierten Verbesserungspotenziale können durch geeignete Methoden und Instrumente des Wissensmanagements erschlossen werden. Der Gestaltungsspielraum bei der Auswahl und Entwicklung von Lösungen ist groß. Die Fraunhofer WM-Lösungssammlung bietet ein umfangreiches Repertoire mit Gestaltungsempfehlungen für diese Phase der WM-Implementierung (Voigt 2016).

Sind geeignete WM-Instrumente ausgewählt, müssen sie an die organisationsspezifischen Gegebenheiten angepasst und bei der Umsetzung in die Unternehmensprozesse integriert werden. Auch der anschließende Implementierungsprozess selbst sollte systematisch geplant werden. Die Erstellung einer Lösungs-Roadmap hat sich hier als nützliches Instrument erwiesen. Die Roadmap ermöglicht es, den gewünschten Zielzustand zu spezifizieren, wichtige Meilensteine auf dem Weg zur Zielerreichung zu definieren und die Zeitplanung des Einführungsprozesses zu konkretisieren.

Wissensmanagement-Roadmap des ISI für Biosynthetik und Fasern

Mit Hilfe der kombinierten Ergebnisse der strategischen Zieldefinition, der Wissenslandkarte, der Prozessprofile sowie der durch die Online-Umfrage ermittelten Stärken und Verbesserungspotenziale wurde eine Roadmap mit den ausgewählten WM-Lösungen entwickelt (Abbildung 4).

Abbildung 4: Roadmap mit zwei operationalisierten Maßnahmenprogrammen

Die horizontalen Aktionsprogramme umfassen die wesentlichen Maßnahmen, die zur Erreichung der spezifischen Ziele ergriffen werden müssen. Das obere Aktionsprogramm hat das Ziel, erfolgskritisches Wissen in der Organisation zu identifizieren und zu erhalten. Dieses Programm bündelt verschiedene Maßnahmen zum Aufbau einer Kompetenzlandkarte, von Expertenprofilen bis hin zu einem Expertenfinder im Laufe eines Jahres. Das zweite Maßnahmenprogramm bezieht sich auf das identifizierte Verbesserungspotenzial im Erzeugen und Speichern des Wissens über Projekte und sieht den Aufbau einer entsprechenden Taxonomie, von datenbankgestützten Projektprofilen und ein systematisches Vorgehen zur Extraktion und Dokumentation von Lessons Learnt aus den F&E-Projekten des ISI vor.

Um die prozessorientierte Einführung der Maßnahmen zu gewährleisten und gleichzeitig ein unternehmensspezifisches WM-Controllingsystem aufzubauen, das den Erfolg der Einführung und des Betriebs des Wissensmanagement-Systems fortlaufend misst, wurden die bisherigen Ergebnisse im ISI für Biosynthetik zusammengefasst und mit einer kausalen Wirkungslogik verknüpft.

Abbildung 5: Strategisches KM-Controlling und Bewertungsrahmen

Wie in Abbildung 5 dargestellt, müssen die konkreten Maßnahmen – gebündelt in sinnvollen Aktionsprogrammen – auf operative Verbesserungen auf der Ebene der wertschöpfenden Geschäftsprozesse der Organisation ausgerichtet sein, die direkt zur Erreichung der strategischen WM-Ziele beitragen sollen, die wiederum positiv auf die angestrebten Geschäftsziele wirken. So werden sowohl der konkrete Nutzen von Wissensmanagement für die Mitarbeitenden in ihren täglichen Aufgaben und Abläufen verdeutlicht, als auch der Beitrag von WM zur Gesamtstrategie des Instituts messbar, z. B. zu den erwünschten finanziellen Ergebnissen sowie dem angestrebten Image auf dem Markt und der Bindung von Industriekunden (vgl. die oben beschriebenen strategischen WM-Ziele). Beide Nutzenperspektiven werden ausdrücklich in der genannten DIN SPEC 91443 gefordert.

Change-Ebene: Betroffene zu Beteiligten machen

Wie viele WM-Initiativen gezeigt haben, ist es für eine erfolgreiche Implementierung eines WM-Systems und der entsprechenden WM-Instrumente von größter Bedeutung, die tatsächlichen (zukünftigen) Nutzer des WM-Systems von Anfang an in das Projekt einzubinden. Die wichtigsten Fragen, die während der verschiedenen Projektphasen beantwortet werden müssen, sind:

  • Wie muss Wissensmanagement in einem Unternehmen eingeführt werden, damit es in der täglichen Praxis erfolgreich ist?
  • Wie können die bestmögliche Akzeptanz und Motivation seitens der Mitarbeiter erreicht werden?

Als Teil des ganzheitlichen WM-Ansatzes des CCWM am Fraunhofer IPK geht das Interventionsmodell für pro-aktives Change-Management (Finke, Will 2003; 2005) von einer bestimmten Prädisposition der Mitarbeiter aus, die bei der Analyse von vier Motivationsfaktoren und der Ableitung der Begleitmaßnahmen in den vier Interventionsfeldern zu berücksichtigen ist, wie in Abbildung 6 dargestellt.

Abbildung 6: Interventionsmodell für proaktives Veränderungsmanagement

Nach diesem Interventionsmodell lassen sich die vier Faktoren der Motivation wie folgt zusammenfassen:

  • Kennen: Die betroffenen Mitarbeiter müssen umfassend über die Ziele und Methoden des Wissensmanagements, über Veränderungsmaßnahmen und Entscheidungen sowie über die Auswirkungen auf ihre individuelle Leistung und Arbeitssituation informiert werden.
  • Können: Die betroffenen Mitarbeiter müssen kompetent genug sein, um den Anforderungen der neuen WM-Aktivitäten gerecht zu werden.
  • Sollen: Die Führungskräfte müssen entsprechende Steuerungs- und Kontrollmaßnahmen einleiten und sollten die Funktion von Change Agents übernehmen.
  • Wollen: Das betroffene Personal muss in den Veränderungsprozess unter Berücksichtigung der gegebenen Bedingungen einbezogen werden.

Um die angestrebte nachhaltige Verhaltensänderung zu erreichen, müssen parallel zur eigentlichen WM-Projektarbeit begleitende Maßnahmen zur Kommunikation oder Qualifizierung sowie organisatorische Maßnahmen und die Einbindung der Mitarbeiter geplant und durchgeführt werden.

Begleitende WM-Einführungsmaßnahmen im ISI für Biosynthetik

Um die Motivation von Anfang an hoch zu halten, sind Transparenz und ein strukturiertes, aber leicht verständliches Vorgehen, unerlässlich. Um dies zu gewährleisten, hat das WM-Kernteam am ISI für Biosynthetik mit Unterstützung der Methodenexperten des CCWM dafür gesorgt, die Mitarbeitenden des ISI in verschiedenen Formaten zu informieren und einzubinden:

  • Die gesamte WM-Initiative und der zugrunde liegende Bedarf wurden von der ISI-Direktion und dem WM-Kernteam im Rahmen einer Vollversammlung allen Mitarbeiter vorgestellt, um eine erste Sensibilisierung zu gewährleisten, noch bevor konkrete operative Schritte eingeleitet wurden.
  • Nach der Festlegung des methodischen Gesamtansatzes durch die Experten wurden alle Mitarbeiter eingeladen, an der Umfrage „KM-Fitness-Check“ teilzunehmen, die auf einer weiteren Mitarbeiterversammlung vorgestellt wurde und die dazu diente, weiteren Input zum Thema WM zu geben und gleichzeitig die Reflexion des eigenen Umgangs mit Wissen im Kontext des Tagesgeschäfts anzuregen.
  • Die Ergebnisse der Umfrage wurden bei einem offiziellen Kick-off-Meeting allen ISI-Mitarbeitenden vorgestellt und die wichtigsten WM-Herausforderungen diskutiert, geclustert und priorisiert, die die Grundlage für die Definition der ersten Handlungsfelder und der jeweiligen operativen WM-Ziele zur Bewältigung dieser konkreten Herausforderungen bildeten. Auf diese Weise hatte jeder Mitarbeiter die Möglichkeit, sich nicht nur an der Analyse der Stärken und Schwächen im Umgang mit Wissen zu beteiligen, sondern auch an der Definition der konkreten Aktionsprogramme mitzuwirken.
  • Parallel dazu war ein erweitertes WM-Kernteam mit Vertretern aus den verschiedenen Fachgruppen an der Beschreibung und wissensorientierten Analyse der wichtigsten Geschäftsprozesse beteiligt. Jeder der drei wertschöpfenden Kernprozesse wurde von einem „Prozessteam“ analysiert, das sich aus Schlüsselmitarbeitern verschiedener Funktionen und Hierarchieebenen zusammensetzte und das Prozesswissen der internen Experten auf systematische Weise zusammentrug.

Der anschauliche Charakter der Roadmap ermöglichte es dem WM-Kernteam, die WM-Projektziele einfach und aktiv zu verfolgen, und half, den aktuellen Umsetzungsstand mit dem geplanten Zeitplan zu vergleichen. Entsprechende Kommunikationsanstrengungen waren wiederum notwendig und entscheidend, um das Engagement der beteiligten Mitarbeiter sicherzustellen. Informelle Geschichten über kleinere Vorteile, die als „Nebeneffekte“ während der WM-Maßnahmen entstanden, vervollständigten die Strategie des proaktiven Veränderungsmanagements als Schlüsselerfolgsfaktor für die effektive Umsetzung von Wissensmanagement in der Organisation.

Fazit und Ausblick

Die eingangs beschriebenen Standards der ISO 30401 und DIN SPEC 91443 helfen in der Praxis den Blick auf die wesentlichen Elemente und Erfolgsfaktoren eines Wissensmanagementprojekts zu lenken: von der Anbindung an die Unternehmensziele über die Integration in die Geschäftsprozesse bis zur Einbeziehung der betroffenen Mitarbeitenden. Es bedarf jedoch handlungsleitender Vorgehensweisen mit systematischen Analyse- und Gestaltungsmethoden, um die Einführung und den Betrieb eines Wissensmanagement-Systems in der Praxis umzusetzen, wobei die Wissensinhalte und WM-Instrumente immer individuell für das jeweilige Unternehmen und seine spezifischen Herausforderungen zu definieren sind. Wird dies beachtet, kann gerade die praxisorientierte DIN SPEC 91443 helfen, wesentliche Zwischenergebnisse in einer Standardstruktur zu dokumentieren, so z. B. in der geforderten Dokumentation der unternehmensspezifischen Wissenspolitik inklusive der Wissensmanagement-Ziele und des angestrebten Nutzens auf Mitarbeiter- und Unternehmensebene. Im Laufe eines WM-Projekts dienen die im Standard definierten Kernelemente auch als Checkliste, um sich zu vergewissern, dass nichts Wesentliches übersehen wird.

Genau in diesem Sinne der „Checkliste“ könnten nun im nächsten Schritt geeignete Auditierungs- und Zertifizierungsverfahren auf Basis der bestehenden Standards entwickelt werden. Wird dabei der Ebene der konkreten Implementierungsmethoden und der individuellen Ausgestaltung von Wissensmanagement-Lösungen Rechnung getragen, die der Standard selbst nicht liefert, kann dies durchaus eine sinnvolle Formalisierung und Standardisierung der Dokumentation des jeweiligen Wissensmanagement-Systems gewährleisten und es so einer unabhängigen externen Überprüfung zugänglich machen.


Referenzen

Alwert, K., Bornemann, M. & Will, M. (2008): Wissensbilanz – Made in Germany. Leitfaden 2.0. Berlin: German Federal Ministry for Economics and Technology Germany.

DIN ISO (2021): Knowledge Management Systems – Requirements (DIN ISO 30401:2021-02). Abgerufen von https://www.beuth.de/de/norm/din-iso-30401/331113422

DIN SPEC (2021): Systematic Knowledge Management for SMEs – Tools and Procedures (DIN SPEC 91443:2021-08). Abgerufen von https://www.beuth.de/de/technische-regel/din-spec-91443/342178827

European Commission (2008): InCaS: Intellectual Capital Statement – Made in Europe. European ICS Guideline. Online: www.incas-europe.org

Finke, I., Will, M. (2003). Motivation for Knowledge Management. In: Mertins, K., Heisig, P., Vorbeck, J. (eds) Knowledge Management. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-540-24778-4_4

Finke, I., Will, M. (2005): Mitarbeiterorientierte Einführung von Wissensmanagement, in: Barske, Heiko/Gerybadze, Alexander/Hünninghausen, Lars/Sommerlatte, Tom (Hrsg.): Das innovative Unternehmen – Produkte, Prozesse, Dienstleistungen (Digitale Fachbibliothek), Düsseldorf, Nr. 2012.01.01, S. 1-58.

Heisig, P. (2005): Integration von Wissensmanagement in Geschäftsprozesse. Berlin: Berichte aus dem Produktionstechnischen Zentrum Berlin. Zugleich: Dissertation, TU Berlin.

Kohl, H., Will, M., Prim, M. F., Pavim, A. X. (2020). Building up a national network of applied R&D institutes in an emerging innovation system. Production, 30, e20190151. DOI

Kohl, I. (2016): Den Status quo im Umgang mit Wissen erkennen, In: Kohl, H., Mertins, K. und Seidel, H. (Hg.): Wissensmanagement im Mittelstand. Grundlagen – Lösungen – Praxisbeispiele. 2. vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage. Heidelberg: Springer Gabler, S. 53–61.

Mertins K, Orth R (2006): Strategisches und operatives Wissensmanagement – Ein ganzheitlicher Ansatz. VDI-Berichte 1964:3–24.

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Voigt, S. (2016): Wissensmanagement-Lösungen auswählen, In: Kohl, H., Mertins, K. und Seidel, H. (Hg.): Wissensmanagement im Mittelstand. Grundlagen – Lösungen – Praxisbeispiele. 2. vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage. Heidelberg: Springer Gabler, S. 107–113.

Will, M. (2012): Strategische Unternehmensentwicklung auf Basis immaterieller Werte in KMU – Eine Methode zur Integration der ressourcen- und marktbasierten Perspektive im Strategieprozess. Stuttgart: Fraunhofer Verlag.

Will, M. (2015): Intellectual Capital Statement as a Strategic Management Tool – The European Approach. In: Ordoñez de Pablos, P.; Edvinsson, L. (Eds.): Intellectual Capital in Organizations. Non-Financial Reports and Accounts. Routledge Chapman & Hall, S. 93-108.

Will, M. (2020): Integrated Strategy Development Based on Intangibles. In P. Ordónez de Pablos & L. Edvinsson (Eds.): Intellectual Capital in the Digital Economy. New York: Routledge. ISBN: 978-0-367-25067-6

Will, M., Orth, R., Budde, F., Neumann, F., Santos, V. (2022): Implementing a European KM Approach in a Brazilian Innovation Institute on a Remote Basis. Proceedings of the 23rd European Conference on Knowledge Management, Vol. 23 No. 2 (2022), S. 1230-1240. DOI: https://doi.org/10.34190/eckm.23.2.623


Dr.-Ing. Markus Will ist Leiter des Competence Centers Wissensmanagement am Fraunhofer IPK in Berlin. Er verfügt über 15 Jahre Erfahrung in der Einführung von Wissensmanagement sowohl in großen als auch in kleinen und mittleren Unternehmen aus dem Industrie- und Servicesektor. Seine Forschungs- und Beratungsschwer- punkte liegen in der Strategieentwicklung, dem Intellectual Capital Management und im Aufbau von internationalen Innovationssystemen.

Dr.-Ing. Ronald Orth leitet die Abteilung Business Excellence Methoden im Bereich Unternehmensmanagement am Fraunhofer IPK in Berlin. Seit rund 20 Jahren berät er Unternehmen und leitet nationale und internationale Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu Fragen des Wissensmanagements. Weitere Schwerpunkte seiner Arbeit bilden die Themengebiete Bench- marking, nachhaltige Unternehmensentwicklung, Performance Measurement und Innovationsmanagement.

Felix Budde, M. Sc., studierte Maschinen- bau und Produktionstechnik mit der Vertiefung Industrielles Management in Bremen. Seit 2021 ist er am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK in Berlin als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Geschäftsfeld Unternehmensmanagement tätig.


Über diesen Beitrag Text: Markus Will, Ronald Orth, Felix Budde · Redaktionsteam: Andreas Matern, Stefan Zillich · Bilder – Key Visual: Smithsonian Institution, USA, CC0; Abbildungen: die Autoren des Beitrags · Editorial Design: Stefan Zillich, re:Quest Berlin · Veröffentlicht in: Das Kuratierte Dossier, Band 5 “Knowledge Management Essentials”, März 2023, ISSN (Online) 2940-1380 · Veröffentlicht von: Gesellschaft für Wissensmanagement e. V. · Gedruckte Ausgabe bestellen · Über die Reihe Das Kuratierte Dossier · © Autor / GfWM e. V. 2023 · Impressum: Creative Commons Attribution NoDerivatives 4.0 International (BY-ND)

Knowledge Management Essentials • Das Kuratierte Dossier, Band 5 • März 2023
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