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Work in Progress Hamburg – ein Rückblick

Am 12. – 14. März 2015 veranstaltete die Hamburger Kreativgesellschaft und Kampnagel Hamburg in Kooperation mit KDA – Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt und XING die Veranstaltung Work in Progress Hamburg. Bemerkenswert ist dabei erst einmal der Rahmen: Es ist die Kreativgesellschaft Hamburg und die Kulturfabrik Kampnagel, Veranstaltungsort für zeitgenössische darstellende Kunst, die seit 2012 sich dem gesellschaftspolitisch hoch relevanten Thema der Veränderung unserer Arbeitswelten annehmen. In diesem Jahr haben Sie zudem zwei spannende Partner gewonnen. Einerseits KDA, eine institutionalisierte Arbeitsgemeinschaft in der Evangelischen Kirche in Deutschland, die soziale und ökonomische mit sozialethischen Fragestellungen verknüpft. Andererseits hat sich die XING AG, das soziale Business-Netzwerk, als Mitveranstalter eingebracht.

Das Programm begann am 12.3.2015 mit der Abendveranstaltung „Werte.Schaffen – Ein Abend über Wertschöpfung, Wertschätzung und Verwertung künstlerischer Arbeit“. Inhaltlich eingeleitet wurde es musikalisch: Das Publikum sang gemeinsam unter der Leitung von Bernadette La Hengst und wurde erst einmal eingestimmt in die Thematik! Mit den Diskutanten, Prof. Barbara Kisseler – Kultursenatorin Hamburg, Bischof Gerhard Ulrich – Landesbischof der Nordkirche, Rainer Voss – ehemaliger Investmentbanker und Privatier, Sören Fenner – Gründer, Stepptanz-Dozent und Netzwerker, Bernadette La Hengst – Musikerin,  Schauspielerin und Autorin sowie Florian Dohmann vom Kunstexperiment „Schwarzarbeit“ drehte sich dann die Diskussion vorrangig um die Bemessung des Wertes von Arbeit. Kunst bietet sich dabei im besonderen Maße an, die klaren Missstände zu skizzieren. Denn wie kann ein Arbeitslohn den Wert von Arbeit bemessen, wenn dieser seinerseits ausschließlich die finanziel-ökonomische Verwertbarkeit reflektiert?

Das Kunstexperiment „Schwarzarbeit“, welches als partizipatives Happening während der gesamten Veranstaltung weiter ausgestaltet wurde, macht dieses sehr anschaulich deutlich: Auftrag an den/die „KünstlerIn“ war es, genau 1 Stunde mit schwarzer Ölfarbe auf einem Glas sich malerisch mit dem Thema Geld auseinander zu setzten. Künstler dieses Abends waren Gerhard Ulrich und Rainer Voss. Vorherige Bilder entstanden durch z.B. eine Assistenzärztin, einen Yoga Lehrer, eine Hausfrau, einen SAP System Entwickler, einen Barkeeper, eine Kindergärtnerin  oder einen Ran-Fußballexperten. Schlussendlich werden die entstandenen Kunstwerke ausgestellt und zum Kauf angeboten, jeweils zum gleichen Preis einer Stunde Arbeit der Künstlerin/ des Künstlers. Das sogar der Ran-Fußballexperten mit einem Bildpreis von 600,- EUR noch vor dem Investmentbanker liegt, ist nur eine Randfeststellung. Doch, dass es bei einer zukunftsweisenden Ausgestaltung der Arbeitswelten auch einen Diskurs über die finanzielle Entlohnungssysteme geben muss, wurde hier sehr anschaulich dargestellt.

 

Der 13.03.2015 war dem Kongresstag der Veranstaltung vorbehalten. Nach Grußworten des ersten Bürgermeisters von Hamburg und von den Veranstaltern war Jeremy Rifkin, Professor an der Wharton School of Pennsylvania University, Gründer der Foundation on Economic Trends und Vordenker, Bestseller-Autor sowie internationaler Politberater eingeladen die Keynote mit dem Titel „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ (The Zero Marginal Cost Society, 2014) zu halten. Anschaulich und lebendig präsentierte Rifkin, wie es aus seiner Sicht dazu kommen wird, dass der Kapitalismus zu Ende geht. Das neue ökonomische Paradigma des „Collaborative Commons“, das System des kollaborativen Gemeinguts, das auf Teilen statt Besitzen beruht, ist dabei die entscheidende Triebfeder. Und, dass immer neue technische Innovationen damit die Produktionskosten sinken lassen, so dass jeder zum Produzenten werden kann.

Nach diesem gezeichneten Zukunftsbild folgte eine spannend und lebendig moderierte Diskussion unter dem Titel „Strategien für die Arbeitswelt von morgen“, zu der Thomas Sattelberger – Publizist, Berater und ehemaliger Top-Manager, Prof. Dr. Gesche Joost –  Professorin für Designforschung an der Universität der Künste Berlin sowie Christian Beinke – Partnern der Agentur Dark Horse, geladen worden sind. Es wurde über die Gefahr der gesellschaftlichen Spaltung gesprochen, die durch digital Gebildete vs. digital Ungebildete hervorgerufen wird, über den Reparaturbetrieb Deutschland und den notwendigen Zukunftssprung den es im Kontext der digitalen Entwicklung braucht sowie über neue Formen der Unternehmensorganisation.

Nach einem Nachmittag mit vielen interessanten Beiträgen und Einblicke zu neuen Arbeitsorganisationen, realitätsenthobenem Investmentbanking, Ansätzen zu neuen sozialen Sicherungssystemen wurde der Tag abgerundet mit dem Vortag von Sascha Lobo – Blogger, Autor, Strategieberater mit dem Titel „Wir nennen es Arbeit – auch ein Jahrzehnt später“. Hier kam nun dann doch wieder der Kapitalismus ins Spiel. Allerdings in einer neuen Form: Der Plattform Kapitalismus. Es beschreibt den Wandel der kompletten Wirtschaftssysteme durch die Zugriffe der digitaln Welt. Spannend, vielleicht auch zugespitzt in seiner Darstellung, aber keineswegs abwegig oder unkritisch.

Am Samstag, den 14.3.2014, bildete der Social Change Day den Abschluss der Veranstaltung. Der Tag bot die Plattform von Pioniere zu lernen und sich auszutauschen, wie der Wandel in der Arbeitswelt mitgestalte werden kann. Denn trotz dessen, dass niemals zuvor in Deutschland so viele Menschen in Lohn und Brot waren, ist zugleich jeder zweite Job kein Normalarbeitsverhältnis nach herkömmlichen Mustern mehr. Wie können wir aber dennoch auf Augenhöhe miteinander arbeiten und bestehen? Wie treten wir der Entgrenzung der Arbeit entgegen, die einerseits Freiheit und Selbstbestimmung bedeutet, aber viele überfordert. Selbstverwirklichung und Selbstausbeute liegen da schnell nahe beieinander!

Insgesamt gabe es auf der Work-in-Progress Hamburg 2015 viel gute Gedanken und viele Impulse zum Weiterdenken! Es waren gelungene Tage und ich freue mich heute bereits auf die Work-in-Progress 2016 wieder in Hamburg.