Normgerechter Umgang mit dem Wissen der Organisation: Nachweis & Wirkungsmessung
Text: Gabriele Vollmar.
Nach ISO 9001:2015 müssen Organisationen ihren aufrechtzuerhaltenden Wissensstand bestimmen und steuern, um die Konformität ihrer Produkte und Dienstleistungen zu erreichen und sicherzustellen. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Qualität und der GfWM hat dazu eine Orientierungshilfe erstellt, in der die Möglichkeiten zu einer pragmatischen Erfüllung dieser neuen Anforderungen aufgezeigt werden. Doch wie kann die Wirksamkeit dieser Maßnahmen gemessen und im Falle eines Audits auch für einen Außenstehenden nachvollziehbar dargestellt werden?
Hier greift die Idee einer so genannten Knowledge Scorecard (KSC). Angelehnt an das Konzept der Balanced Scorecard (BSC) nach Kaplan und Norton, werden konkrete operative Ziele zum Umgang mit dem Wissen der Organisation formuliert. Maßnahmen im Bereich des Wissensmanagements werden im Hinblick auf diese Ziele definiert und jeweils einem Ziel zugeordnet. In einem letzten Schritt werden Indikatoren identifiziert, die es ermöglichen, den Grad an Zielerreichung und damit Nutzenrealisierung und Wirkung jeder Maßnahme zu erkennen.
Der klare Bezug zur Norm ISO 9001 entsteht durch die so genannten Perspektiven in der Knowledge Scorecard, denn diese orientieren sich an den Anforderungen der Norm. Diese Perspektiven, denen die operativen Ziele und damit auch alle Maßnahmen und Indikatoren zugeordnet werden, sind:
Wissen erlangen
Wissen aufrecht erhalten
Wissen zur Verfügung stellen
Es fehlt die Norm-Forderung „notwendiges Wissen bestimmen“; dies ist Aufgabe des generellen Strategie-Prozesses im Unternehmen. Die Bestimmung des notwendigen Wissens ist damit Bestandteil der Unternehmens-BSC bzw. der davon abgeleiteten Strategy Map und stellt eine notwendige Verbindung zwischen Unternehmens- und Wissensstrategie her. Notwendig deshalb, weil Wissensmanagement – auch in Zeiten von ISO 9001 – kein Selbstzweck (oder schierer Zertifizierungszweck) sein soll.
Als vierte, gewissermaßen Meta-Perspektive kommt die Perspektive „Wissensmanagement-System etablieren bzw. pflegen“ hinzu; diese adressiert sowohl normative als auch grundlegende Ziele hinsichtlich eines Wissensmanagement-Systems, wie z. B. die Einführung und kontinuierliche Weiterentwicklung eines Wissensmanagement-Systems, das alle Wissensprozesse umfassen.
Gründe für eine Knowledge Scorecard
Primäre Intention einer KSC ist es, die Umsetzung von Wissensmanagement-Maßnahmen zu überwachen und deren Wirkungsentfaltung im Sinne einer Zielerreichung zu bewerten, um sowohl Wissensmanagement-Strategie als auch Wissensmanagement-System (zu verstehen als integriertes Maßnahmen-Portfolio, nicht als IT-System) kontinuierlich, zielgerichtet und ausgerichtet an der Gesamtstrategie der Organisation weiterzuentwickeln.
Neben einem solchen Controlling kann eine KSC, wie ihre „Mutter“ die BSC die Umsetzung der Wissensmanagement-Strategie effektiv unterstützen, indem die Scorecard für die Gesamtorganisation heruntergebrochen wird auf davon abgeleitete Scorecards für die einzelnen Bereiche, Teams und letztlich auf individuelle Scorecards. Individuelle Wissensmanagement-Ziele sind eines der wirkungsvollsten und nachhaltigsten Motivationsinstrumente in der Organisation.
Gleichzeitig erzwingt eine KSC die Konkretisierung und strategische Einbettung der (Weiter-)Entwicklung eines Wissensmanagement-Systems. Maßnahmen können nicht vereinzelt umgesetzt werden, sondern müssen sich vor dem Hintergrund einer konkreten Formulierung von Ziel und Nutzenerwartung bewähren. Die KSC zwingt also dazu, Wissensmanagement als stimmiges und integriertes Gesamtsystem zu konzipieren und nicht als Sammlung vereinzelter Maßnahmen.
Last but not least stellt eine solche Scorecard Umfang, Wirkung und Nutzen des Wissensmanagements nachvollziehbar dar und bildet damit eine Art Legitimationsgrundlage (Wozu tun wir das?), und zwar nicht nur für die eigenen Mitarbeiter und die Führung, sondern auch für einen internen oder externen Auditor, der überprüfen möchte, ob die Normanforderungen angemessen adressiert werden. Dafür hilft die Strukturierung der Scorecard entlang den Anforderungen aus der Norm ISO 9001. Sie unterstützt den Auditor (und auch das eigene Qualitätsmanagement) optimal dabei, generische Normanforderungen und konkretes Wissensmanagement-System zur Deckung zu bringen.
Mehr zur KSC: http://www.wissen-kommunizieren.de/publikationen/
Zur Autorin
Gabriele Vollmar M.A. ist Mitglied der Arbeitsgruppe von DGQ und GfWM. Sie ist seit mehr als 10 Jahren beratend im Wissensmanagement tätig und hat dazu mehrere Lehraufträge, u.a. an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, an der Technischen Universität Kaiserslautern und an der Bauhaus-Universität Weimar. Neben zahlreichen Fachartikeln hat sie das Kapitel „Wissensmanagement“ im Masing Handbuch Qualitätsmanagement verantwortet und ist Autorin von „Knowledge Gardening. Wissensarbeit in intelligenten Organisationen“. Gabriele Vollmar ist langjähriges Mitglied der GfWM und Ex-Präsidentin des Vereins.